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Die DPG – Statements zum Thema Einfluss des Menschen auf das Klima (1971 – 1985 – 2019)

Aktualisiert: 25. Mai 2022

re:look – Aufriss


Dr. Philipp Lengsfeld

September 2020

Editorielles Update: Mai 2022



Die Deutsche Physikalische Gesellschaft, die DPG, ist wohl eine der unterschätzten Kräfte hinter der globalen Klimadiskussion. Im letzten Jahr hat die DPG mit der Wiederveröffentlichung zweier Statements aus dem Jahre 1971 und 1985 ergänzt um eine aktuelle Stellungnahme einen hochinteressanten Einblick in den Verlauf der Klima-Großdebatte gegeben, der hier kurz nachgezeichnet werden soll.


DPG – Statement 1971 „Machen Menschen das Wetter?“ – Visionär und vergleichsweise nüchtern


Das DPG-Statement von 1971 „Machen Menschen das Wetter? Industrialisierung und Bevölkerungswachstum beeinflussen das Klima“ ist ein kompaktes praktisch zweiseitiges Dokument mit fünf Warnungen. Es bezieht sich auf einen Vortrag des bedeutenden deutschen Meteorologen und Klimatologen Hermann Flohn - die 36. Physikertagung 1971 in Essen wurde gemeinsam mit dem Verband Deutscher Meteorologischer Gesellschaften veranstaltet.


Als erster Punkt wird tatsächlich das Thema CO2 als Treibhausgas abgehandelt. Es ist faszinierend zu lesen, dass die Kernthesen schon 1971 prägnant formuliert werden: Der CO2-Anstieg (der vor allem der Verbrennung von fossilen Brennstoffen zugeschrieben wird) wird präzise beschrieben und punktgenau vorhergesagt (Vorhersage für 2000: 370-380 ppm – der Mauna Loa – Wert für 2000 liegt ungefähr bei 365 ppm). Für die Verdoppelung des CO2-Gehalts wurde die Zunahme der mittleren Erdoberflächentemperatur um 2,2° angenommen.


Interessanterweise wird aber gleich als zweiter Punkt über die Zunahme der globalen Trübung diskutiert, als Folge des Emittierens von großem Mengen Aerosolpartikeln in Industriegebieten und ein Phänomen der Abkühlung – diese Thematik stellt sich natürlich in den modernen Industriestaaten nicht ansatzweise mehr so, wie es in den 70ziger Jahren wirkte, ist aber immer noch ein riesiges Problem, was auch vom IPCC immer wieder erwähnt wird.


Besonders interessant wirkt die dritte Warnung: Die Erwärmung der Erde durch ständig wachsenden Energieverbrauch. Und zwar durch Energiequellen, die nicht eine reine Umwandlung natürlicher Energie darstellen (als solche ‚natürliche Quellen‘ werden Hydroelektrizität und geothermische Energie genannt, heute würde noch die Wind- und Solarenergie dazuzählen), sondern eine zusätzliche, kreislauffremde und damit quasi unnatürliche Energiequelle darstellen, wie die Verbrennung fossiler Brennstoffe und die Kernenergie aus Sicht von Prof. Flohn. Wörtlich heißt es: „Alle Energieumsetzungen werden letzten Endes wieder in Wärme verwandelt und können als vollständige Verbrennung behandelt werden.“


Zum Abschluss werden zwei weitere Trends benannt, die immer noch sehr aktuell wirken: Umwandlung von natürlicher Vegetation (z.B. Wüstenausbreitung durch menschliche Eingriffe) und das Thema Wasserhaushalt der Erde.


re:look Zwischenfazit: Das DPG-Statement von 1971 zeichnet sich durch eine klare Sprache aus. Das Thema CO2 wird relativ nüchtern abgehandelt und in eine Reihe mit anderen Einflüssen des Menschen auf Wetter und Klima gestellt. Das Papier ist aber auch stark geprägt von der meteorologischen Sicht des zitierten Experten, eines sehr renommierten Meteorologen.


DPG – Statement 1985 „Warnung vor einer drohenden Klimakatastrophe“ – Das Manifest der Alarmisten und Politisierer


Das DPG-Statement von 1985 kommt diesmal aus der Mitte der DPG, genauer vom Arbeitskreis Energie unter Leitung von Prof. Dr. Klaus Heinloth, einem gelernten Hochenergiephysiker, späterer Regierungsberater und IPCC-Leitwissenschaftler im Bereich Klima und Energie.


Das 13-seitiges Papier hält direkt, was der Titel „Warnung vor (…) Klimakatastrophe“ schon androht. Das ganze Papier dreht sich praktisch nur noch um Treibhausgase - Waldrodungen und Bodenerosion, sowie diverse industrielle und landwirtschaftliche Aktivitäten werden nur noch als Mitursache des „rapiden“ Anstieg der Treibhausgase benannt. Und die Szenarien sind durchweg düster.


Die Tonlage ist klar alarmistisch und es werden weitreichende Vorhersagen gemacht.


  • Innerhalb von 50–100 Jahren wird die Zunahme der mittleren Erdtemperatur um mehrere Grad und die Ausweitung der äquatornahen Trockengebiete (auch hier nur noch als Folge der Treibhausgasemission) vorhergesagt.

  • Die weitgehendste Prognose ist, dass innerhalb weniger 100 Jahre der Meeresspiegel um 5-10m ansteigen könnte.

Abgeschwächt werden diese Schreckensszenarien nur durch den Hinweis, dass „gesicherte Vorhersagen über Ausmaß und Zeitraum der Klimaveränderungen – die Schwierigkeiten selbst kurzfristiger Wetterprognosen vor Augen – allerdings auch in absehbarer Zukunft kaum zu erwarten sein.“ Dieser Punkt wird im Papier sogar noch einmal wiederholt.


Nach dieser knackigen Einleitung geht das DPG-Statement direkt zu einer politischen Agenda über, um diese „Klimakatastrophe“ zu vermeiden. Es werden umgehend „drastische Einschränkungen der Treibhausgase“ gefordert, da es sonst „wenn in vermutlich 1 bis 2 Jahrzehnten deutliche Klimaveränderungen sichtbar werden, (…) aller Voraussicht nach bereits zu spät sein“ würde.


Es folgen Forderungen an die Politik, die Wirtschaft und die Wissenschaft und jeden einzelnen Bürger, die sich wie aus der aktuellen Klimadiskussion rückkopiert lesen. Ein Unterschied liegt aber in der politischen Zielmarke: 1985 fordert die DPG noch eine Begrenzung der Erderwärmung um höchstens 1°C. Bekanntermaßen wurde dieses Ziel nicht sehr viel später auf 2° hochgesetzt, um 2015 im Pariser Abkommen durch ein 1,5°, höchstens 2°-Ziel ersetzt zu werden. Die Begrenzung auf 1° wird mit einem Kohlendioxidgehalt von 450 ppm korreliert. Dieser Wert ist natürlich heute als CO2äq, also in der Kombination CO2 und anderer Treibhausgase, schon deutlich überschritten. Laut Bundesumweltamt lag 2017 die gesamte Treibhausgas-Konzentration bei 493 ppm Kohlenstoff-Äquivalenten.

Fairerweise muss man erwähnen, dass ein Teil des Problems hier auch die immer wieder unklare Tempearturwert-Basisreferenzierung sein könnte – siehe dazu auch re:look-Aufriß „Fragen an das Pariser Klima-Ziel aus dem paläoklimatischen Kontext“


Das 1985-DPG-Papier hantiert dann mit Überlegungen, die auch heute noch in ähnlicher Weise formuliert werden: Wenn die Emissionen nicht sofort reduziert werden, müsste die spätere Reduktion umso drastischer ausfallen. Zum Abschluss des Papiers werden insbesondere zwei Energiearten massiv beworben: die Kern- und die Sonnenenergie (das Papier entstand weniger Monate vor der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl in der Sowjetunion).


re:look Zwischenfazit: Das DPG-Statement von 1985 liest sich wie eine Blaupause der späteren Klimawissenschaftskampagnen. Das gesamte Thema menschlicher Einfluss wird auf die Treibhausgase verengt, die Szenarien und die Rhetorik massiv verschärft und die Vorschläge an Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit gleichen eher Ultimaten. Zusätzlich werden massiv Forschungsgelder gefordert (gleichzeitig wird sich aber eine Hintertür bezüglich der Prognosefähigkeit offengelassen) und es werden explizit Energieformen beworben: Die Kernenergie und die Solarenergie (1971 wurde die Kernkraft noch als Teil des Problems von zusätzlichem, quasi ‚unnatürlichem‘ Energieeintrag gesehen).

Das Statement des Arbeitskreis Energie der DPG von 1985 kann mit Fug und Recht als eine der Quellen der gesamten Klimadiskussion der folgenden 30 Jahre gesehen werden.


DPG 2019 – „DPG erneuert Warnung vor den gravierenden Folgen durch den menschgemachten Klimawandel“ – ein überraschend abgewogenes Statement in aufgeregter Zeit


Das DPG Statement von 2019 ist in dieser Reihung vor allem dadurch auffällig, dass die Formulierungen sehr zurückhaltend wirken. Auch dieses Statement kommt aus der Mitte der DPG, diesmal aber nicht von einer Arbeitsgruppe, sondern direkt aus dem Stab des aktuellen DPG-Präsidenten, der auch persönlich zitiert wird.


Das zentrale Eingangsstatement lautet: „Das Klima wandelt sich. Wie schlimm es für die künftigen Generationen kommt, darüber streiten die Gelehrten – und was wann für wen katastrophal enden kann.“ Eine deutlich andere Tonlage, als die Ausrufung einer „drohenden Klimakatastrophe“ von 1985. In den folgenden Passagen legt die DPG eigentlich mehr oder weniger die Historie dar und berichtet über die beiden oben zusammengefassten Statements von 1971 und 1985 – bei zweiten übrigens mit dem expliziten Hinweis auf den Spiegel-Titel von 1986, der mit einem im Meerwasser stehenden Kölner Dom nur als absolut alarmistisch bezeichnet werden kann. Zur Ehrenrettung der DPG muss man aber feststellen, dass das Schreckens-Szenario im Spiegel weit über das eh schon zugespitzte 1985 – Statement hinausgeht.[2]


Was für eine veränderte Tonlage im DPG-Statement von 2019 – der Diskussion der Wirkungen von Treibhausgasen, inklusive Wasserdampf, folgt der Satz: „Die DPG blendet nicht aus, dass das „Klima“ ein außerordentlich komplexes System ist und die wissenschaftliche Modellbildung nicht abgeschlossen ist.“


Nach diesen eher nachdenklichen Zeilen ändert sich die Tonlage wieder. Im nächsten Absatz wird auf die Zunahme des CO2-Anteils in der Atmosphäre verwiesen, der wie dargestellt, schon höher ist, als 1985 prognostiziert.


Im vorletzten Absatz erinnert das 2019-Statement wieder ein wenig an die Variante von 1985, aber mit Nuancen: „Mit großer Sicherheit wird das im Dezember 2010 von den 194 Mitgliedstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen ausgerufene 2-Grad-Ziel wohl verfehlt werden.“ postuliert die DPG 2019. Hinsichtlich des Meeresspiegels ist 2019-DPG-Prognose nun: „Zudem steigt der Meeresspiegel im schlimmsten Fall um bis zu einem Meter bis zum Jahr 2100, wenn auch von großen räumlichen Unterschieden auszugehen ist“. Leider ist auch diese Prognose – wie so oft in der Klimadebatte – nicht direkt mit der Variante 1985 vergleichbar, aber es wirkt doch deutlicher weniger alarmistisch als die 1985er DPG-Prognose, dass „innerhalb weniger 100 Jahre der Meeresspiegel um 5-10m ansteigen werde“.


Im letzten Absatz ruft die DPG und ihr amtierender Präsident zu „konsequentem Handeln und Umsteuern im menschlichen Umgang mit unserem Planeten zur Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen auf“.


re:look Fazit:


Die DPG-Statements 1971-1985-2019 sind nicht nur sehr interessante Zeitdokumente, sondern auch äußerst lehrreich in Bezug auf die ausgesprochenen Warnungen und Prognosen. Dabei sticht das 1985-Statement durch starken Alarmismus, bei gleichzeitiger Fokussierung auf Treibhausgase und massive politische Forderungen hervor. Das 1971er Statement ist dagegen in Teilen visionär und zeichnet sich durch eine deutlich komplexere Betrachtung des Einfluss des Menschen auf Wetter und Klima aus, inklusive einer momentan in der Diskussion überhaupt nicht mehr berücksichtigten kritischen Sicht auf Energieerzeugung außerhalb des natürlichen Energiekreislauf, durch z.B. Verbrennung fossiler Brennstoffe, aber auch durch Kernkraft.


Das 2019-Statement ist angesichts der Aktualität das überraschenderweise wissenschaftlich zurückhaltendste von den drei Statements. Auffällig sind die vorsichtigeren und abgewogeneren Betrachtungen, gerade im Vergleich zu dem Papier von 1985.


Und die Vorhersagekraft? In Bezug auf die Treibhausgase hat sich von den 1971er und 1985er Prognose vor allem die Entwicklung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre bestätigt. Die 1985er Warnung vor deutlichen Klimaveränderungen in den nächsten 1-2 Jahrzehnten (also großzügig bis 2005-10) bei unveränderter Treibhausgasemission scheint dagegen eher nicht eingetroffen zu sein.


 

[1] Fairerweise muss man erwähnen, dass ein Teil des Problems hier auch die immer wieder unklare Tempearturwert-Basisreferenzierung sein könnte – siehe dazu auch re:look-Aufriß „Fragen an das Pariser Klima-Ziel aus dem paläoklimatischen Kontext“


[2] In der 1986-Spiegel-Titelgeschichte „Das Weltklima gerät aus den Fugen“ wird ein Schreckensszenario, vor dem „Wissenschaftler (…) beizeiten gewarnt“ hatten beschrieben, in welchem im Jahre 2040 Hamburg, Hongkong, London, Kairo, Kopenhagen, Rom und New York „längst“ „überflutet, vom Meer verschluckt“ sind. „Für die mehr als 9 Milliarden Erdbewohner hat ein gnadenloser Kampf ums Überleben begonnen.“


 

Quellen:


DPG-2019

DPG-1985

DPG-1971

Prof. Dr. Hermann Flohn (pars pro toto)


Prof. Dr. Klaus Heinloth (pars pro toto)

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